Proxemik (von lat. proximare = sich nähern) ist ein Buch, welches sich mit räumlichen Konstellationen von Kommunikations- oder Interaktionspartner*innen auf experimentelle und fotografische Weise auseinandersetzt.

2023, May-Britt Franzen und Birte Rauch

→ Hardcover, 108 Seiten, 108 × 272 mm

Unsere Zeit ist geprägt von politischen Spannungen und einer immer stärker werdenden Spaltung der Gesellschaft. Basis einer funktionierenden Demokratie ist der Dialog: Nur mit einer positiven Dialogkultur können Konflikte geschlichtet und Kriege vermieden werden. Voraussetzung für einen geglückten Dialog sind vor allem elementare Verhaltensregeln wie das Zuhören und der gegenseitige Respekt.
Räumliche Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Was macht eigentlich der 6 m lange Tisch, der zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und anderen Politiker*innen steht, mit dem Gespräch? Wieso werden in Talkshows eher runde Tische genutzt? Wie kann gutes Design die Demokratie fördern? Welche Rolle spielt die Ausrichtung der Augenpaare von Dialogpartner*innen?
Dieses Buch erforscht experimentell, welchen Einfluss der Raum auf die Kommunikation hat. Es gliedert sich in vier Abschnitte: Abstand, Konstellation, Ausrichtung und Form, wobei die Grenzen zwischen den Arbeiten fließend sind. Ziel ist eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Situationen zu ermöglichen.
A B S T A N D

Jeder Mensch hat seine eigenen räumlichen Grenzen. Das Verhalten von Menschen im Raum wurde von Edward Hall als Teil der nonverbalen Kommunikation untersucht. Er begründete damit die Proxemik, die Erfo schung des Raumes für die Kommunikation. Hall erforschte, wie wir umsere persönlichen Grenzen setzen und wie diese von unserer Kultur beeinflusst werden. Die Distanz, die sich zwischen Menschen im Gespräch ergibt, teilte er in vier Hauptzonen ein: die Intime, die Persönliche, die Soziale und die Öffentliche.
K O N S T E L L A T I O N E N

Wie Menschen in einem Gespräch zueinander sitzen, hat immer Auswirkungen auf die Gesprächssituation. Offen gestaltete Sitzkonstellationen legen keine Rollenverteilung nahe und die räumliche Distanz kann selbst reguliert werden. Der Stuhlkreis ermöglicht eine Gleichstellung der Gesprächspartner*innen. Im Gegensatz dazu erzeugt der Frontalunterricht in der Schule immer eine Trennung und ein Machtverhältnis zwischen den Schüler*innen und dem Lehrenden. Auch die Anzahl der Personen selbst verändert das Gespräch. Im Redekonstellationsmodell der sogenannten Freiburger Schule werden diese Aspekte aufgegriffen. Es berücksichtigt bei der Beschreibung eines Kommunikationsaktes die Redekonstellation – die Kombination aus allen außersprachlichen Faktoren, die das Gespräch beeinflussen.
A U S R I C H T U N G

3,3 Sekunden – diese Zeit empfinden die meisten Menschen für angenehm, um einem anderen in die Augen zu schauen. Kürzerer oder längerer Blickkontakt sorgt schnell für Unbehagen oder Verwirrung. Der direkte Blickkontakt signalisiert Nähe und schafft Intimität. Wird der Blick wiederum gesenkt, schwindet die Intimität. Durch eine lange Dauer und Intensität kann es aber auch eine Aufforderung bedeuten. Der Augenkontakt dient als ein nonverbaler Kanal für die Kommunikation und soziale Interaktion. Die räumliche Distanz spielt dabei eine wichtige Rolle. »Je geringer die Entfernung zwischen einander fremden Personen ist, umso peinlicher ist der Blickkontakt.« In einer Wartesituation auf engem Raum, wie in einem Fahrstuhl, lässt sich beobachten, dass Blicken ausgewichen wird.
F O R M

Der runde Tisch – egal, an welchen Platz man sich setzt, jeder Punkt hat immer dieselbe Entfernung zum Zentrum und ermöglicht dadurch symmetrische Kommunikation. Die Hierarchien zwischen den Kommunikationspartner*innen entfallen. Im Gegensatz dazu trennt ein rechteckiger Tisch Gesprächspartner*innen voneinander, da sich durch seine Form zwei Oppositionen in der Sitzordnung bilden. Als eigenständiger Begriff wurde der »Runde Tisch« erstmals verwendet, um die zwischen dem 6. Februar und dem 5. April 1989 in der Übergangsphase vom sozialistischen Staat zur demokratischen Republik stattfindenden Gespräche in Polen zu beschreiben. Auch in Ost-Berlin trafen sich Ende desselben Jahres Vertreter*innen der DDR-Regierung, SED-Massenorganisationen, Blockparteien, Oppositionen und Kirchen am runden Tisch, um über die Zukunft der DDR zu sprechen. Der »Runde Tisch« wurde somit zur Metapher für einen geglückten Dialog.
E X P E R I M E N T E

Jedes Kapitel enthält eine Postkarte mit einem Experiment. Die Experimente laden die Betrachter*innen und Leser*innen dazu ein ihre eigenen Distanzzonen zu testen.
Das Buch hat den Designpreis Brandenburg in der Kategorie "Young Professionals | Kommunikationsdesign" gewonnen.

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